Bücher

Schlechte Bücher.

Durch die Papstwahl und das ganze Brimborium der letzten Tage, das damit verbunden war, habe ich mich an einen Text erinnert, den ich vor einigen Jahren zum Thema schlechte Bücher geschrieben habe. Was hat der Papst mit schlechten Büchern zu tun? Nun, ohne gleich blasphemisch zu werden, kann ich sagen: Eine ganze Menge.

Was folgt, sind meine Überlegungen zu Dan Browns ‚Meisterstück‘ Illuminati, das mir zum Kinostart damals in die Hände gefallen war und mich in einem schwachen Moment von Pulp-Fiction-Heißhunger erwischte. Früher war ich ja einmal der Auffassung gewesen, schlechte Bücher gehörten verboten. Heute sehe ich das etwas differenzierter und lese ganz gern zwischendurch und in kleinen Dosen gepflegten Schund. Schlechte Bücher sind gut. Solange man sie in dem Bewusstsein verschlingt, dass sie schlecht sind. Deswegen dachte ich mir nicht viel dabei, als ich anfing Illuminati zu lesen.

IlluminatiIch hatte bereits vor Jahren den Nachfolger The Da Vinci Code gelesen – auf Englisch, sollte ich vielleicht dazu anmerken – und fand es damals gar nicht so schlecht (für ein schlechtes Buch). Deswegen war ich schließlich auch willens, ausgerechnet mit Illuminati etwas für meine Kenntnisse populären Lesestoffs zu tun.

 Aber was tat sich da für ein Abgrund auf! Ich war regelrecht geschockt, wie ein so jämmerliches Buch ein derart erfolgreicher Bestseller werden konnte. Wie, nur wie? Vielleicht war mein Entsetzen angesichts der Fünf-Wörter-Sätze (Muster Subjekt, Prädikat, Objekt), die das Buch durchziehen wie die Lebensmittelmotten das Müsli, der unmittelbar vorausgegangenen, mehr oder weniger ausschließlichen Lektüre großartiger Klassiker der Moderne geschuldet. Vielleicht habe ich generell auch zu große Ansprüche an Literatur (aber kann man das überhaupt haben, zu große Ansprüche an Bücher?). Wie auch immer, Dan Brown hat es geschafft, die Latte so weit unten anzusetzen, dass mir selbst die Intouch als inspirierenderer Lesestoff erschien.

Die Geschichte um Robert Langdon, den athletischen, allerdings nicht klassisch gut aussehenden Geisteswissenschaftler (indirektes Zitat), ist konstruiert (was nicht weiter überrascht, ich weiß). Seine Mitstreiterin Vittoria Vetra ist natürlich eine absolut heiße Physikerin (Wir alle wissen, wie viele es davon gibt und wie groß die Chance ist, dass man gerade bei einem spektakulären Abenteuer wie der Rettung des Vatikans vor einer Bombe aus Antimaterie (!) auf eine solch geile Schnitte trifft (man verzeihe mir den Ausdruck, ich schiebe es auf den sprachlichen Einfluss des Buches)). Und sie hat nichts Besseres zu tun, als sich unmittelbar nach dem grausamen Mord an ihrem Vater auf ein sexuelles Abenteuer mit einem amerikanischen Langweiler einzulassen. Der schreckliche Erpresser ist selbstverständlich nicht der von Anfang an als Bösewicht inszenierte Wissenschaftler Max Kohler (der auch noch Deutscher ist und im Rollstuhl sitzt, wie wunderbar!), sondern der heilige Camerlengo, der doch alles nur zum Besten will. O je… Und das habe ich tatsächlich von der ersten Seite bis zur letzten gelesen.

Warum das Ganze, kann man sich nun fragen. Warum hört man nicht einfach auf, eine solche Geschichte zu lesen? Warum vergeudet man kostbare Lebenszeit damit? Warum quält man sich da durch, lässt sich halbherzig von dem nicht wirklich spannenden Plot fesseln, anstatt die wunde Bibliophilen-Seele mit ein bisschen Thomas Mann einzubalsamieren? Nun, genau darum. Um sich sensibel zu halten ob der wundervollen Sprache der Anderen. Der gewitzten Ideen. Der Dialoge, die nicht konstruiert werden, sondern fließen. Läse ich nicht ab und an so etwas wie Dan Brown, wüsste ich vielleicht nicht mehr das seltene Wunder der guten Literatur zu schätzen, das mich danach aber wieder umfangen kann; ja, das ich dann wieder umso mehr genießen werde. Und dazu bedarf es der schlechten Bücher.

Ich danke Dan Brown, dass er so schlechte Bücher schreibt, das man die guten umso lieber lesen mag.

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